#BELGRAD #serbien - #Balkan für Anfänger







BELGRAD

Die "Weiße Stadt"… Die ehemalige jugoslawische Hauptstadt, Titos Metropole und der unmögliche Traum von Miloševic... es ist unsagbar schwer, die post-kommunistische Periode aus dem Gedächtnis Belgrads zu verwischen - genau aus diesem Grund intensivieren sich die nationalistischen Bewegungen... Aber zu dem Schluss kam ich erst nach meinem Aufenthalt in Sarajevo, fast 10 Monate später...

In Belgrad spricht man weder von Miloševic noch von Bosnien. Die Themen an der Tagesordnung (es war im Dezember 2016) waren Russland versus die EU und die syrischen Migranten - wie mir unsere Gastgeberin, die als Übersetzerin für eine NGO tätig war, erklärte. 

Offensichtlich geht das Leben in Serbien weiter: Belgrad ist immer noch imposant, die breiten Boulevarde des Zentrums, die zahlreichen schicken Lokale, die sowohl für die jungen Serben als auch für die Touristen attraktiv wirken - alles erinnert an europäische Ansprüche. 
Als westeuropäischer Tourist freut man sich über die ausgesprochene Eleganz der balkanischen Hauptstadt und die vergleichsweise niedrigeren Preise. 

Für mich persönlich, als geographische Nachbarin, erwiesen sich Belgrad und die Serben als gastfreundlich - sie schienen, sich auf Rumänien als ehemaliger, momentan "vom Glück getroffenen" Genosse zu besinnen.

Ich hatte mich entschieden, in Belgrad Spuren der gemeinsamen balkanischen Vergangenheit zu entdecken - osmanische als auch modernistische... Das Bewundern der Architektur einer jahrhundertalten Stadt, die sich lange nach Unabhängigkeit sehnte, ist wesentlich ratsamer als das Entdecken des sozialistischen Erbe und dessen wilden Folgen...

Historisch und architektonisch gesehen ist Belgrad bemerkenswert.
Unweit des Zusammenflusses der mächtigen Donau mit der Sava, und der Burg Kalemegdan (die schöne mittelalterliche Burg aus dem 15. Jh.) liegt das immer noch elegante Zentrum: Ende des 19.Jh. Sezessionsstil, Art Deco, Neoklassizismus und einige orientalisch sowie sozialistisch geprägte Bauten, die sogar inmitten modernistischer Schönheit mit totalitaristischer Gewalt "integriert" wurden (glücklicherweise ist eine deutlich konsistentere Spiegelung dieser Epoche hauptsächlich außerhalb des Zentrums zu finden - wo das interbellische Vračar endet und Titos Schaffen beginnt).

In diesem Sinne ähnelt Titos Metropole Budapest, Sofia und Bukarest - die 3 Hauptstädte haben viel Gemeinsames: eine lange Reihe von Eroberern, Kämpfen um Unabhängigkeit, Opfersein totalitaristischer Regimes (Nazionalsozialismus und/oder Kommunismus) und eine partielle Zwangsmodernisierung.

Die lange Geschichte Belgrads begann mit den Thraken (3.Jh. v.Chr.). Es folgten die Römer (die die Stadt Singidunum nannten), das Byzanz, die Slawen (im 7.Jh.), die Osmanen (346 Jahre Herrschaft), bis zu den beiden serbischen Revolutionen (1804 unter Karađorđe u. 1815 unter Miloš Obrenović). Der Volksaufstand gegen die türkische Bevölkerung, die daraus resultierende Unabhängigkeit 1867 und die “Entosmanisierung" führten leider zu Titos Sozialismus.
Eine tumultuöse Geschichte, die überall immer noch lauert… in der lokalen Mentalität genauso wie in der Sprache, Toponymie und den architektonischen Einflüssen.



Belgrad ist nicht nur der Osten verwandelt durch den westlichen Stil der Moderne, es ist auch die letzte Bastion des Orients - im 19.Jh. war die Stadt immer noch in einen westlichen orthodox-serbischen und einen östlichen muslimisch-jüdischen Teil gegliedert, mit einer einzigen christlichen Kirche, aber mehr als einem Dutzend Moscheen.

Leider wirkt die Enklave der Altstadt und die Kalemegdan eingewickelt, wenn nicht fest zusammengepresst durch den düsteren Gürtel der "Neustadt"… Eine vom ewigen Symbol der Diktatur (der Plattenbau) geprägte Landschaft, mittlerweile verziert mit hochmodernen Lokalen - wie z.B. die Gastro-Bars (Terminal oder Ceger) in der Nähe der orthodoxen Kathedrale ‘Sankt Sava’, die köstliche Speisen, den besten italienischen Kaffee und vor allem Unmengen vom Zigarettenrauch bieten, da die Modernität dieser Art Lokale und der "Liberalismus" der Besitzer das Niveau noch nicht erreicht hat, wo man zwischen Rauchern und Nichtrauchern zu unterscheiden vermag. Eine Tatsache völlig im Einklang mit der Wahrnehmung und Horizonten der Stammkunden, die der bekannten osteuropäischen Tradition der "showing-off" treu geblieben sind und das Rauchen in den Lokalen für Eleganz halten...

Von der schönen St. Sava Kathedrale (in Richtung Kralja Milana Straße oder Bulevar Kralja Aleksandra) ist das Zentrum in wenigen Minuten zu erreichen.
Die zahlreichen beeindruckenden Straßen, die dahin führen, sind immer von unglaublicher Energie beherrscht. Die Cafès & Restaurants sind immer voll abends, am Wochenende, und nicht nur... Wobei der Platz der Republik, wo sich das Nationalmuseum und die Oper befinden, das pulsierende Herz der Stadt ist.




Alles wirkte vertraut - ich war zu Hause, und doch schien mir alles neu… ich musste mir alle Nebenstraßen anschauen und die 100-jährigen Bauten aufrichtig bewundern… mit Begeisterung gingen wir spazieren der Donau entlang, denn die osteuropäische Winterkälte konnte den Bann der Altstadt nicht brechen... ich musste zugeben, dass das archaische Belgrad etwas Bezauberndes an sich hatte.

An dem Abend konnte ich mich kaum von der Altstadt trennen, also haben wir in einem zentralgelegenen traditionellen Restaurant in der Kneza-Mihaila-Str. gespeist - Kolarac. Ich wurde nicht nur von der aufrichtigen Gastfreundlichkeit, sondern auch vom balkanischen Menü sehr positiv überrascht, was auch für die gegenwärtige Interpretation der regionalen Küche gilt, die wir am nächsten Abend im einzigartigen jugoslawischen Restaurant Manufaktura entdeckt haben.



Die sogenannte ‘Weiße Stadt’ verfügt auch über eine prächtige Oper mit internationaler Repertoire - die ausgezeichnete ‘Fledermaus’ Vorstellung mit feinen sarkastischen Anspielungen auf das russische Oligarchenmilieu konnte mich unmöglich enttäuschen, ganz im Gegenteil... Es war eine Erleichterung zu spüren, dass die Kunstszene der Stadt nach einer anderen Zukunft strebt. 

Wenige aber volle Restaurants, Nachtleben, Lokale, die Musikszene, die man am besten in der Art Nouveau Musik-Bar Mucha zu hören bekommt - ein überaus bewegtes Milieu, das dem rauen Winter die Stirn bot...



BELGRAD war für mich ein Stück Heimat, irgendwie... die Menschen, die Mentalität - vom Humor der Kellner und der zwanglosen Atmosphäre der Lokale bis zu den sympathischen Leuten, die wir in der Stadt kennengelernt haben - die Stadt hat eine besondere Ausstrahlung, strömt Energie aus und genießt das Leben trotz aller Probleme. Denn sie lebt ausschließlich in der GEGENWART. Das ist der Balkan: Leben mit und trotz der Vergangenheit... auch wenn diese süße nationale Vergesslichkeit wieder gefährliche Folgen haben könnte...


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